Über den Hund, der mich in meiner Kindheit begleitete, aber nicht bei mir leben wollte.
Ich bin mit Hund aufgewachsen.
Besser gesagt, eine Dackeldame namens "Peggy" begleitete mich durch meine Kindheit. Sie war gefühlt irgendwie immer da und überall dabei.
Wir wohnten in einem Haus mit gelben Hoftor und Peggy regierte alles was dahinter passierte.
Sie wackelte durch die Fotoaufnahmen meiner Eltern, als ich vor der Schultafel stand zu meiner Einschulung. Sie rannte bellend vorne her, wenn ich mir die Rollschuhe anschnallte und rüber auf den Parkplatz ging zum Rollschuhlaufen.
Als meine Familie ein Haus baute in einem anderen Dorf, zogen wir um, als ich 6 Jahre alt war.
Für Peggy war dieser Umzug ungefähr genauso schlimm und schockierend, wie für mich gewesen.
Wir hatten dort ein komplett modernes Haus in einer Neubausiedlung, an dem es kein gelbes Hoftor gab.
Es gab aber auch kein anderes Hoftor, es gab einfach nix.
Gegenüber war eine Gemeindewiese und danach Weinberge.
Peggy war damit völlig überfordert. Da wurden Menschen angebellt, die gefühlt 500 m entfernt nur ihrer Wanderung nachgingen. Woher sollte sie auch wissen, bis wohin genau sie aufpassen musste?
Diese Grenze gab ihr vorher das gelbe Hoftor.
In dem Dorf wohnten auch ein paar Meter und Häuser weiter meine Großeltern. Ich nahm Peggy ab und zu mit zu ihnen zu Besuch. Ich ging mit ihr die Dorfstraße hinunter, nahm manchmal Umwege über die Bachstelle oder traf mich mit Freunden zum spielen. Peggy war dabei.
Auch als wir unsere erste Bande gegründet haben, war Peggy unser Bandenhund!
Eines Tages passierte es, dass Peggy immer öfter alleine los zog. Plötzlich war sie weg.
Am Anfang noch panisch, suchten wir nach ihr. Gingen die Dorfstraße hinunter und die Leute sagten uns, dass Peggy an ihnen vorbeigelaufen ist.
Fast gleichzeitig erhielten wir den Anruf von meiner Oma, dass Peggy bei ihnen wäre.
Und das geschah dann immer öfter.
Wann immer es Peggy gelang unsere Unaufmerksamkeit zu nutzen, nahm sie den Weg über die Dorfstraße direkt zu meinen Großeltern.
Peggy wurde dadurch dorfbekannt und wurde von den Bewohnern schon herzlich gegrüßt. "Na Peggy? Bischt widder unnerwegs? " (für alle Nicht-Pfälzer: "Na Peggy? Bist du wieder unterwegs?")
Wir holten sie natürlich immer wieder nachhause zu uns, da es ja unser Hund war und auch eigentlich zu uns gehörte.
Aber irgendwann wurde uns klar, dass sich Peggy eigentlich schon längst dafür entschieden hatte, bei meinen Großeltern zu leben.
So wurde die Zeit, die Peggy bei meinen Großeltern verbrachte immer länger. Ich war sehr traurig darüber. Konnte es mir nicht wirklich erklären, warum sie den Ort und auch meine Großeltern vorzog.
Nach einer Weile gaben wir auf und ließen Peggy bei meinen Großeltern. Ich selbst ging jeden Tag dort hin und holte Peggy ab zum gassi gehen oder aber um mit ihr den Tag mit meinen Freunden draußen zu verbringen. Sie liebte es und drehte vor Freude immer voll durch, wenn ich kam und sie abholte.
Peggy war glücklich. Unübersehbar.
Trotzdem nagte es in mir, dass sie sich dafür entschieden hat, nicht mehr bei uns zu leben.
Eines Tages holte ich sie wieder ab und stand im Hof meiner Großeltern, zog Peggy das Halsband und die Leine an und als ich zum Hoftor lief, um nach draußen zu gehen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: das gelbe Hoftor!
Meine Großeltern hatten tatsächlich das gleiche Hoftor, dass wir vorher in unserem alten Haus hatten.
Natürlich! Hier war die Welt für Peggy in Ordnung.
Warum mir das nicht wirklich früher aufgefallen war, kann ich mir nicht erklären.
Peggy und ich waren noch Jahre ein starkes Team.
Sie freute sich jeden Tag auf ihre Gassirunde und lebte glücklich bei meinen Großeltern, bei denen die territorialen Grenzen klar waren.
13 Jahre wurde sie alt.
Ich denke noch heute gerne an sie zurück, an die eigenwillige und mutige Dackeldame, die mit mir durch dick und dünn ging.
Eigentlich weiß ich auch gar nicht mehr so ganz sicher, ob das Hoftor wirklich gelb war.
Vielleicht war es auch braun oder beige...
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